Jetzt versteht man auch, weshalb BMWs im Großen und Ganzen weltweit als Beamer bezeichnet werden. Nach dem Starten klingt es untypisch für ein Raumschiff. Es ballert eher dumpf, nach einem alten Jagdflugzeug klingend, aus dem Maschinenraum. Ein kurzer Dreh am Gasgriff sorgt für klare Verhältnisse. Zumindest steht fest, wer hier die Hosen an hat und am Lautesten brüllen kann. Dieses Bike zieht alleine durch seine Akustik mehr Blicke auf sich, als die meisten Chrom überladenen zwei Liter Stahlhaufen aus Übersee. Autofahrer, egal ob Cabrio oder Dose, blicken meist ungläubig und irritiert – Fußgänger scheinen sicher eher in Deckung bringen zu wollen.
Das Anfahren ist erst einmal recht unspektakulär, Kupplung ziehen, Gang rein, wo bleibt das Klonk? Ist der Gang drin? Egal, erst mal die Kupplung kommen und mit Gas unterstützen. Das war auch schon der Fehler. Diese „R“ hat Drehmoment, wie ein Traktor – und ab geht’s aufs Hinterrad.
Zweiter gang rein, den Detonationen aus dem Endschaldämpfer lauschen und Gas auf. Der dritte Gang rein und es knallt schon wieder. Ich kannte dieses Phänomen bis jetzt nur vom Runterschalten…aber keine Spur von einer auch nur annähernd seltsamen Abstimmungen. Ganz im Gegenteil.
Ich habe noch nie zuvor eine derartig brachiale und unvorstellbare Naturgewalt in einem Fahrzeug erlebt, die dabei so gut zu kontrollieren ist. Mittlerweile im vierten Gang angekommen scheinen meine Mundwinkel im Helm die Polster auszubeulen. Mein Blick dürfte auch schon ziemlich irre gewesen sein. Diese Art der Leistungsentfaltung setzt sich in jedem Gang bis in den Begrenzer fort. Man muss es einfach erlebt haben, denn in Worte kann man es nicht wirklich fassen.
Auf der anderen Seite kann man zwar klangstark, aber zivil durch Spielstraßen rollen und innerorts der politisch korrekte Vorzeigebürger sein – zumindest hinsichtlich der Einhaltung von Geschwindigkeitsvorschriften.
Was aber bringt Leistung im Überfluss ohne Kontrollierbarkeit?
Um auch hier ins Gleichgewicht zu gelangen wurde die Vorderradführung einer R1200S mit samt Superbikelenker verbaut und alles auf Schmiederäder von AC Schnitzer gestellt. Reduzierte rotierende Masse = optimiertes Handling…so viel in aller Kürze. Klar könnte ich es jetzt wissenschaftlich belegen. Brauche ich aber nicht!
Das Handling ist absolut präzise und transparent.
Nichts stört auch nur im Geringsten das Fahrgefühl. Anfangs fühlt es sich noch etwas komisch an, so viele Informationen in präzise und punktgenaue Richtungswechsel umzusetzen. Nach fünf Minuten wird man jedoch eins mit der Maschine. Ab diesem Zeitpunkt geht alles noch lockerer von der Hand.
Fazit: Die R 1200 R BigBore ist…
– stimmgewaltig, wie Metallica auf Rock am Ring
– Leistungsstark, wie ein…mir fehlen die Worte
– elegant, wie James Bond im neusten Lagerfeld-Zwirn.
Dieses Motorrad ist Understatement pur. Schade, dass es nur eine kurze Runde war…sonst würde ich wohl jetzt auf dem Bike sitzen und den Artikel schreiben 😉
- BigBore-Kit (Zylinder im Tausch, Wössner-Kolben, Kopfdichtungen)
- Powercommander 5 + Abstimmung
- Zylinderkopfbearbeitung und Strömungsoptimierung
- Akrapovic Komplettanlage
- Telelever Typ R1200S
- AC Schnitzer Felgen
- Leistung ca. 130PS (95kW)
- Max. Drehmoment 140 NM
- Hubraum 1216ccm
Text und Fotos: Sebastian Wolf