Der Name dieser BMW HP2 Enduro im kompromisslosen Supermoto Trimm mach sofort klar, an welchem Ende der Nahrungskette man sich befindet. Es ist eindeutig, dass man das obere Ende der Nahrungskette, unter den Zweirad fahrenden Menschen, einnimmt – und dann kommt erst mal eine ganze Weile nichts. Die imposante Erscheinung dieser Waffe polarisiert. Sie ergreift irgendwie Besitz von deiner Seele. Entweder man liebt Sie auf den ersten Blick oder will schnell wieder das Weite suchen und sich die letzten Mahlzeiten durch den Kopf gehen lassen. Ich für meinen Teil habe mich sofort in die Lackierung in „british racing green metallic“ mit goldenem und schwarzem Flecktarn verliebt. Die Upside down Gabel, die Lampe und der dazugehörige Träger stehen in matt-schwarz dem Fahrtwind entgegen. Und alles zusammen auf schwarze 17“ Supermoto-Räder gestellt. Alleine optisch ist diese HP2 absolut dekadent.

Jetzt kommt der gemeine Teil. Diese Fuhre ist nicht für Menschen unter 1,80m geeignet. Für kleinere Menschen ist auf dem Weg hinauf auf die Sitzbank kein Basislager eingeplant. Gut, ich bin knappe zwei Meter – also ein beherzter Schwung auf den Hochsitz…Füße sind flach auf dem Boden. Was ein wahnsinniges Gefühl. Mir wird klar, dass es jetzt langsam ernst wird. Die Alcantara Sitzbank bildet eine ebene Fläche, vom Tank, bis zum Rücklicht. Erst mal die Waffe scharf machen, also Zündschlüssel umdrehen und die Elektronik starten lassen. Alle Systeme einsatzbereit. Und Feuer!

Das Monster erwacht zum Leben. Der Motor brüllt schon im Leerlauf durch die komplette Akrapovic Titan-Auspuffanlage, dass es eine wahre Pracht ist und Gespräche in dem näheren Umfeld des Triebwerks unmöglich sind. BMW und leise – vielleicht, aber nicht mit dieser HP. Also Gang rein und auf das freuen, was einen erwartet. Erst mal vom Hof rollen, denn man möchte keinen schlechten Eindruck hinterlassen. Wir haben schließlich Samstag Mittag und es befindet sich Kundschaft in den Geschäftsräumen. Leise schleichen funktioniert schon mal nicht. Dann eben laut schleichen. So, geschafft…die Straße breitet sich vor mir aus. Kurz das Gas geöffnet und schon stellt Sie sich so brutal aufs Hinterrad, dass der zweite Gang her muss, sonst landet man unverzüglich im Begrenzer. Und nein, ich bin kein Grobmotoriker. Motoren gehören immer warm gefahren und mit Liebe behandelt, sie werden es einem ein Leben lang danken. Aber mit diesem Antritt habe ich einfach nicht gerechnet. Als das Bugrad wieder Bodenkontakt hat, kommen mir Torstens Worte wieder in den Sinn, „Achtung, die Kiste hat Qualm und tritt mächtig an.“ Aber er hätte ruhig erwähnen können, dass es sich bei der Leistung um eine monströse Detonation handelt. Das Biest will im dritten Gang noch das Vorderrad in die Luft reissen.

Beim Runterschalten macht man mit den Explosionen im Schalldämpfer auf sich aufmerksam. Es gleicht Schüssen. Vergleichbar mit dem Knall einer Schrotflinte. Aber mit gesteigerter Schussfolge. Der Lautstarke Auftritt teilt die Menschenmengen innerorts, wie seinerzeit Moses das Rote Meer. Beim nächsten Griff ans Gas muss man auch schon wieder darauf achten, dass sich keine losen Gegenstände im Ansaugbereich des Triebwerks befinden – kleine Kinder, Hunde und Rollerfahrer werden gnadenlos angesaugt. Wie gesagt, die Tarnung steht, aber leise treten ist nicht möglich.

Die Bremsen sind keine Anker mehr. Die Energie des Vortriebs wird schlagartig vernichtet. Ein beherzter Griff in die vordere Bremse lässt die Front so stark eintauchen, dass sich das Heck anhebt. Mit einer feinfühligen Hand an den Hebeleien lässt sich ein perfekter Stoppie hinlegen, natürlich mit gezieltem Rolling-Out. Der Druckpunkt und die Dosierbarkeit sind so gut, dass auch Bremsen Spaß macht. In Kurven kann man den Drift nicht nur mit einem groben Tritt in die hinteren Eisen provozieren – in Schräglage einfach ans Gas gehen, das Heck bricht aus und der schwarze Strich ist schier endlos. Und dieser Sound dazu. Einfach irre. Fahrer aus dem Lager der Gebückten können zwar auf der Geraden davon fahren, aber in der Nächsten Kurve wird die Beute ausgebreitet und hemmungslos zugeschlagen. Eine Flucht ist unmöglich. Das Opfer wird nicht einfach erlegt – es wird demoralisiert und ausgeschaltet.

Ein Fahrer irgendeines fernöstlichen Teilchenbeschleunigers kam nah genug ran, sodass in Ihm die Erfolgsgedanken aufkamen. Und dann Feuer frei. Keine Chance. Ich glaube, er ist erst einmal zusammen gezuckt, als er den akustischen Punch abbekam. Und dann hatte er nur noch eine schwarze Linie vor sich.

Fazit: Absolut irre. Die Perfekte Waffe für eine Jagd in kurvenreichen Gefilden. Nichts und niemand kann sich dieser HP2 entziehen. Sei es auf der Straße im direkten Vergleich oder in der Stadt akustisch und optisch. Der Motor ist einfach traumhaft abgestimmt und mit allem aufgebaut, was gut und wirkungsvoll ist. Das wunderschöne blau-violett der Titan-Krümmer harmoniert perfekt mit dem Grün und Gold des restlichen Fahrzeugs. Das Fahrwerk fordert eine erfahren Hand und dankt es mit totaler Kontrollierbarkeit. Ganz klar, diese HP2 Supermoto ist das, was die HP2 Megamoto laut BMW sein soll…und noch viel mehr. Mich hat der Ritt auf dieser Waffe auf jeden Fall nicht kalt gelassen.

Text und Fotos: Sebastian Wolf